Verderber weltweit (in Frakturschrift).

Verderber weltweit

Ein fiktives Familientreffen im Netz

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Die Verderbers von Köln

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Die Familie des Leo Verderber (13.5.1894–1935)

In der deutschen Stadt Köln gab es bis 1938 eine Familie Verderber, die dem jüdischen Familienzweig angehörte.

Der Stammvater dieser Familie war Leo Verderber; sein jüdischer Vorname war Jehuda Arie. Er wurde am 13.5.1894 in Wischnitz geboren. Damit ist vermutlich das heutige Wiśnicz in Polen, ungefähr 80 Kilometer nördlich von Krakau (Kraków), gemeint. Leos Herkunft liegt im Dunkeln, aber im Bereich um Krakau und Tarnow finden sich Hinweise auf weitere jüdische Familien des Namens Verderber.

Falls es sich aber bei seinem Geburtsort um das Wischnitz (Wiśnice) im Kreis Tost-Gleiwitz in Oberschlesien handelt, so ist jedenfalls dort im genealogischen Familienregister für 1770–1800 keine Familie Verderber auffindbar (Quelle: Genealogische Gesellschaft von Utah, Mikrofilm-Nummer 1573223, siehe http://www.familysearch.org).

Leo Verderber verlobte sich mit Genia Rosenzweig, die auch Gella, Getta oder Gette gerufen wurde. Genia wurde am 20.2.1890 in der galizischen Stadt Tarnow (Tarnów), ungefähr 80 Kilometer östlich von Krakau (Kraków) und heute zu Polen gehörend,  geboren. Sowohl Wischnitz als auch Tarnow gehörten zu Österreich-Ungarn. Als 1914 der erste Weltkrieg begann, kämpfte Leo bei der österreichischen Armee und brachte es bis zum Feldwebel. Genias Familie verließ derweil Osteuropa und ließ sich in Köln nieder.

Nach dem Ende des Krieges 1918 heirateten beide und blieben in Köln. Galizien fiel größtenteils an Polen, und so wurden beide polnische Staatsbürger mit polnischen Pässen. Das Ehepaar Verderber bekam vier Kinder:

1935 starb Leo Verderber mit 42 Jahren bei einem Autounfall, als der Fahrer seines Taxis am Steuer einschlief. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Köln begraben.

Genia Verderber wurde mit ihren beiden jüngsten Söhnen Theo und Adolf im Oktober 1938 nach Polen ausgewiesen und mit Hunderten anderer Personen in einem Zug zum polnischen Grenzort Bentschen (Zbaszyn) an der Obra, etwa 70 Kilometer westlich von Posen (Poznań), gebracht. Dabei dürfte es sich um die Ausweisungsaktion vom 28.10.1938 handeln, die alle in Deutschland lebenden Juden polnischer Staatsangehörigkeit betraf.

Die Lebensumstände in Bentschen waren katastrophal. Derweil bildete sich in England ein Flüchtlingskomitee, welches versuchte, jüdische Kinder aus dem deutschen Machtbereich zu retten. Um wenigstens einen von ihnen zu retten, gestattete Genia ihrem damals zehn Jahre alten Sohn Theo, mit dem ersten Kindertransport nach England zu gehen. Sie hoffte, mit ihrem jüngsten Sohn später nachkommen zu können.

Theo fuhr mit dem polnischen Schiff „Warshawa“ von Gdingen (Gdinya) bei Danzig (Gdańsk) über Kiel und den Nord-Ostsee-Kanal nach London, wo er am 14.2.1939 im Hafen ankam. Ein zweiter Kindertransport traf kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges ein. Mit Kriegsbeginn im September 1939 verlor Theo den Briefkontakt zu seiner Mutter, die dann mit einer ihrer Schwestern zusammenlebte.

Der älteste Bruder, Israel Moses, entkam im August 1939 (vermutlich sogar schon am 31.7.1939) mit der Zionistischen Jugend nach Palästina. Er war damals 16 Jahre alt.

Seine ältere Schwester Netta war in Rüdnitz bei Bernau (nordöstlich Berlins) in einem Ausbildungslager der Zionistischen Jugend, um sich auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten, als die ganze Gruppe spurlos verschwand, vermutlich 1938. Netta landete in Polen und konnte ihrem Bruder Theo während des Krieges Briefe mit je 25 Wörtern über das schweizerische Rote Kreuz nach England senden. So erfuhr er, daß seine Mutter in Tarnow ihre Schwestern traf. Diese Briefe endeten 1943.

Nach der Totenliste der Gedenkstätte Jad Waschem in Israel starben sowohl Genia Verderber als auch ihr jüngster Sohn Adolf 1942 in Limanow (Limanowa) in Polen, etwa 50 Kilometer südöstlich von Krakau (Kraków). Die Familie hingegen vermutet 1943 als Todesjahr. Das Schicksal der Tochter Netta ist unbekannt; sie dürfte 1943 gestorben sein.

Währenddessen erlebte Theo 1941 mit 13 Jahren in Nottingham eine sehr einsame Bar-Mizwa in der dortigen Synagoge. 1948 erreichte er mit einem randvollen Auswandererschiff Palästina. Dort traf er seinen Bruder Israel Moses wieder.

Der Name „Verderber“ war für Engländer sehr schwierig auszusprechen, und so beschlossen Theo, seine Frau und sein Bruder Israel Moses, ihren Namen in „Vered“ zu ändern, was „Rose“ auf hebräisch heißt.

Beide Brüder blieben in Israel, heirateten und bekamen Kinder. Am 10.1.2007 starb Israel Moses Vered nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren.

In Köln gibt es seit 1997 eine Gedenkstätte am Löwenbrunnen, wo sich früher eine Synagoge und zwei jüdische Schulen befanden, nämlich die Jawne (ein Reformrealgymnasium) und die Morija (eine Übungsschule). Sowohl Theo als auch Adolf Verderber besuchten die Morija-Schule bis zur Deportation. Das Denkmal erinnert an die 1.100 jüdischen Kinder aus Köln, die verschleppt und ermordet wurden. Auch Adolf Verderber ist dort verzeichnet. Für seine Mutter und seine Schwester gibt es offenbar kein Denkmal in Köln.

Alwine Pflanzer, geborene Verderber (17.3.1888–?)

In Köln lebte auch Alwine Pflanzer, geborene Verderber, geboren am 17.3.1888, bis sie nach Auschwitz (Oświecim, Polen) deportiert wurde. Dort kam sie vermutlich um. Sie wurde für tot erklärt. Mehr ist über sie nicht bekannt; sie gehörte offenbar ebenfalls zum jüdischen Familienzweig und war möglicherweise eine Verwandte des Leo Verderber.

Quellen

In der Datenbank der Opfer beim NS-Dokumentationszentrum (El-De-Haus), Köln finden sich Genia Verderber (unter dem Vornamen „Gella“ und mit dem falschen Geburtsjahr 1889), Adolf Verderber und Alwine Pflanzer, geborene Verderber – allerdings ohne nähere Einzelheiten, außer, daß sie für tot erklärt wurden.

Auf die Ankunft des Adolf Verderber in Bentschen gibt es folgenden Hinweis unter http://www.jewishgen.org/databases/Holocaust/0023_ZabiczynChildrenExpelledFromGermany.htm:

Adolf Verderber, geboren 22.02.1930, Vater Leo Verderber, Mutter Gette Verderber, letzter Wohnort Köln, als angeblich polnisches Kind in die polnische Grenzstadt Bentschen (Zbaszyń, 52°33’ / 20°51’) deportiert und dort elternlos angekommen. Weiteres Schicksal unbekannt.

Daß er ohne Eltern angekommen sein soll, stimmt allerdings nicht; schließlich waren seine Mutter und sein älterer Bruder bei ihm. Auch sein Bruder Theo erscheint in dieser Liste, allerdings unter dem Vornamen „Theodor“.

Über Netta Verderbers Aufenthalt in dem zionistischen Ausbildungslager Rüdnitz bei Bernau gibt http://www.jewishgen.org/databases/Holocaust/ Auskunft, dort allerdings unter dem Vornamen „Betti“.

Die Totenliste von Jad Waschem schließlich belegt, daß Genia Verderber (dort unter dem Vornamen „Gella“) und Adolf Verderber (unter dem Vornamen „Abram“) aus „Keln“ (was natürlich „Köln“ heißen muß) 1942 in Limanow umkamen.

Theo Verderber schildert (unter seinem heutigen Namen Mordechai Vered) seine einsame Bar-Mizwa auf englisch in den Kindertransport-Nachrichten vom November 2004.

Die meisten Informationen jedoch verdanke ich den Brüdern Israel Moses und Theo (Mordechai) Verderber (Vered). Dafür sei ihnen herzlichst gedankt.

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